Die Semesterferien sind fast vorbei, die Projektarbeit ist abgeschlossen und die SBB Tageskarte, die nur noch im Februar gültig ist, habe ich immer noch nicht eingelöst.
Meine treue Leserschaft weiss inzwischen sicherlich, dass damit alle Voraussetzungen für einen Ausflug erfüllt sind.

Das Ziel sollte also in der Schweiz liegen, möglichst weit von Zürich entfernt und mit Zügen erreichbar sein. Meine Wahl begrenzte sich schnell auf Westschweiz oder Tessin. Genf besuchte ich im vergangenen Jahr schon zwei Mal und ich möchte meinem Ziel, alle Ecken der Schweiz innerhalb von zwei Jahren besucht zu haben, näher kommen. Damit fiel die Entscheidung auf das Tessin, speziell auf die Stadt Lugano.
Die Meisten fahren sicherlich im Sommer zum Sonne tanken nach Italien, hingegen fahre ich zur kältesten Zeit ins südlich gelegende Tessin. Ich bleibe meinem Motto ungewöhnliche Reiseziele zu noch unmöglicheren Zeiten treu.

Ich hatte zunächst noch Sorgen wegen des Wetters, weil sich Regen angekündigt hat, aber wahrend der ganzen Zugfahrt schien die Sonne auf Seen, verschneite Berge und unzählige Tunnels.

Zwei Stunden nach Abfahrt befand ich mich gerade wieder in einem Tunnel. Als ich, von Licht geblendet, nach draussen blinzelte, traute ich meinen Augen kaum.

Da hätte ich mir den Glacier Express fast sparen können.

Nach Durchquerung des Gotthard-Passes und einem kurzen Halt in Bellinzona kam ich in Lugano an. Direkt am Bahnhof gibt es eine Jugendherberge, wo ich mich für eine Nacht einquartierte. Ich habe nur kurz das Gepäck verstaut, dann ging es wieder zum Bahnhof.
Kaum angekommen verlasse ich schon wieder die Stadt? Ja, ich möchte schliesslich die Freifahrten voll ausnutzen. Am ersten Tag plante ich die Ausflüge, am zweiten Lugano zu besuchen.

Eine halbe Stunde nördlich von Lugano liegt Bellinzona, die Hauptstadt des Tessins. Bekannt ist die Stadt für ihre drei Burgen, die unter UNESCO-Weltkulturerbe stehen.

Die Altstadt hatte den typischen italienischen Flair und in einem gemütlichen Restaurant genoss ich die beste Spaghetti Carbonara, die ich je verspeist habe – muss am Tessiner Schinken liegen.


Gestärkt schaute ich mir die nahegelegene Burg Castelgrande an.
Ich hatte noch einiges vor, so sparte ich mir, die anderen beiden Burgen zu besichtigen.

Was ist mit dem Rest des Tessins? Locarno bot sich aufgrund der recht grossen Anfahrtszeit nicht an und über die Grenzstadt Chiasso klagen sogar die Reiseführer.

Nach meinem kleinen Ausflug ging es direkt weiter den Lago di Lugano herunter. Im kleinen Dorf Melinde passiert touristisch nicht viel, gäbe es nicht die einzigartige Freilichtausstellung Swissminiatur.
Der Name ist Programm: Mit helvetischer (Lieblingswort der Schweizer) Präzision und Leidenschaft wurden bekannte Gebäude, Ortsmarken sowie ganze Landschaften nachgebildet. Die ganze Landschaft wird durch Modellzüge durchfahren.


So klein ist die Schweiz und so viel gibt es zu sehen!

Auf halber Strecke vor Lugano stieg ich erneut aus, um in die Bergbahn umzusteigen. Von oben gäbe es einen tollen Ausblick und der Sonnenuntergang würde alles in Szene setzen.
Wenn doch nur alles so laufen würde, wie es geplant wäre…
Die Bergbahn fuhr aus mir nicht verständlichen Gründen erst wieder ab März, so musste ich etwas umplanen. Ich fuhr zurück nach Lugano und packte nochmals um.

Auf die Empfehlung einer Bekannten beschloss ich stattdessen das Dorf Ponte Tresa zu besuchen, dass mit dem Zug in einer halben Stunde erreichbar war. Als ich ausstieg war es bereits dunkel und die Geschäfte schlossen gerade, also wollte ich mich nur etwas umsehen.
Alles sprach dafür, dass ich in einem kleinen Dorf ohne weitere Besonderheiten gelandet bin, bis ich vor der Grenze nach Italien stand. Mir war nicht bewusst, dass ich soeben in eine Grenzstadt gefahren bin. Viel zu sehen gab es zu der späten Stunde nicht, also setze ich kurz einen Fuss auf fremdes Terrain und machte mich danach auf den Rückweg.


Zurück in Lugano suchte ich einen Ort zum Füsse wärmen und Magengrummeln befriedigen. Wenig später fand ich mich in einem belebtes Restaurant am Piazza della Riforma. Neben mir sassen deutsche Geschäftsleute, gegenüber kehrten einige Wehrsoldaten (der Sprache nach zu urteilen aus Schwyz/Luzern) ein. Zwischendrin Zwischenrufe auf italienisch. Mittendrin versuchte ich dem Ober auf italienisch, englisch und deutsch meine Bestellung zugänglich zu machen, was beim dritten Anlauf auch zu klappen schien.
Für ein gutes Risotto reichte dass Budget nicht, sodass vor mir bald eine reichhaltig belegte Pizza Capricciosa lag. Auch diesmal konnte kein in Deutschland arbeitender Italiener mithalten. Die Frische und Qualität der Lebensmittel scheint eine ganz andere zu sein.

Mit der Bergbahn überwand ich den Höhenunterschied zwischen Altstadt und Bahnhof und setze mich auf das unterste von einem der fünf Etagenbetten.
Den Schlaafsaal teilte ich mir mit einem Syrer und drei Tessinern. Ihr könnt euch sicher vorstellen wie ruhig ich geschlafen habe.

Am nächsten Morgen verpflegte ich mich mit den Einkäufen vom Vortag bevor ich die Unterkunft verlies.
Für den ganzen Tag wurde Regen angekündigt, was sich auch bewahrheitete. Ich war recht froh, einen Regenschirm mitgenommen zu haben.

Als Erstes wollte ich mir den Markt in der Altstadt ansehen, der aber ebenso wie die Bergbahn ausgeflogen ist nicht im Winter stattfinden zu scheint.
Trotzdem waren die schmalen Gassen überhaupt nicht ausgestorben. Viele kleine Läden sowie Einkaufshäuser lockten mit kleinen und grossen Freuden und vor lauter Uhrmachern und Schmuckgeschäften bemerkte man in einer Strasse die kleine Kirche mittendrin kaum.


Den Hausberg der Stadt Mount Bre zu erkunden, fiel bei diesem Wetter und entsprechender Sicht ebenso flach also suchte ich mir ein Alternativprogramm heraus.
Für den Spabesuch war ich nicht ausgerüstet, bei diesem Wetter sind Wanderungen ohne Stiefel eher die zweite Wahl und interessante Ausstellungen fand ich auch nicht.
Zum Glück fand ich etwas über ein Schokoladenmuseum heraus, dass ich dann mittags aufsuchte.

Wie sich herausstellte, befand sich in dem grossen flachen Gebäude nicht nur das Museum, sondern die komplette Fertigung der Firma Alprose. Ein grosser Teil der Führung bestand darin, den Maschinen und den Mitarbeitern zuzusehen, wie sie aus Kakaomasse verpackte Tafeln Schoggi zauberten.
Fotografieren war nicht gestattet aber ich kann euch sagen, dass jedes Süssmaul vom blossen Anblick in Versuchung käme, auf’s Band zu greifen.
Im Shop wurde man am Ende doch noch zur Degustation (das zweite Lieblingswort der Schweizer) eingeladen. Die Schoggi schmeckte so fein, dass ich direkt eine Tafel mit auf den Weg nahm. Ich weiss nun, zu welcher Marke ich in Zukunft greifen sollte.

Nachmittags, etwas früher als ursprünglich geplant, machte ich mich auf den Weg zurück nach Zürich (pun absolutly intended).
Ehe ich mich es versah, rieselte der Schnee und bedeckte alles in ein weisses Gewand. Und das noch vor Bellinzona.
Höchste Zeit zurück in den warmen Norden zu fahren. Welche Ironie…

PS: Weitere Fotos hat es in der Galerie.

Tessin und Lugano
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